Momente oder: Wenn die Zeit still steht

Eine Hand fährt durch Haferähren im Sonnenlicht + Text "Annes Blog Momente"

Der Spruch „Collect moments, not things” (Sammele Momente, anstelle von Dingen), steht auf einem meiner T-Shirts. Jedes Mal, wenn ich es trage, rufe ich mir ins Gedächtnis, dass man öfter den Moment genießen sollte, statt ständig an andere Dinge zu denken, gerade, wenn es einem mal nicht so gut geht.

Aber was sind solche Momente, in denen man ganz bei sich selber ist?

Hier kann ich nur meine eigenen Erfahrungen wiedergeben.

Als ich gestern morgen aufwachte, den Rollladen hochzog und beide Fensterflügel öffnete, hörte ich ein Rotkehlchen singen. Ich legte mich wieder ins Bett und lauschte für eine Weile dem Gesang. Die kühle Morgenluft strich über mein Gesicht. Ich lag einfach da und genoss diesen Moment.

Betrachte ich im Garten eine Rose, streiche über ihre Blätter und rieche ihren Duft, so genieße ich den Augenblick, in dem ich nichts anderes tue, als diese Rose mit allen Sinnen anzuschauen.

Es sind nicht nur Momente, in welchen ich komplett bei mir selbst bin, sondern auch Situationen oder Erlebnisse. Vor einigen Wochen war ich mit meiner Freundin an der Ruhr. Es war ein heißer Sommertag, und da half nur Abkühlung. Also nahmen wir ein Bad im Fluss. Um uns herum vernahm ich Wasservögel, Blesshühner, die einander jagten, schnatternde Enten, eine lauter als die andere. Das Wasser roch nach Fluss, ein ganz eigener Geruch, den man schlecht beschreiben kann. Vom Ufer her kamen diverse Geräusche: Eine Luftmatratze wurde aufgeblasen. Jugendliche stritten miteinander, halb auf Türkisch, halb auf Deutsch. Bierflaschen wurden geöffnet. Aus einem Lautsprecher drang Musik. Alles war in dem Augenblick perfekt, sogar der Schlamm unter unseren Füßen. Wir schwammen etwas weiter hinaus. Ich tauchte unter, blieb ein paar Sekunden unter Wasser, tauchte langsam wieder auf. Die Sonne wärmte unsere Gesichter, unsere Haare. Das Wasser erfrischte unseren Körper. Ein Gefühl der Leichtigkeit stellte sich ein. Alles andere rückte in den Hintergrund und war unwichtig. Sorgen gab es nicht, es lief alles ganz von selbst. Der Rest des Nachmittags verlief in ähnlicher Weise. Nach dem Baden saßen wir auf unseren Strandtüchern, sonnten uns, redeten und tranken ein kühles Bier, nachdem wir uns einen Flaschenöffner ausgeliehen hatten. Später fuhren wir zu meinem Lieblingsitaliener und verlebten einen wunderschönen Sommerabend auf dessen Terrasse.

Mit einem Glücksgefühl schlief ich irgendwann in dieser Tropennacht ein. Meine Freundin hatte mir zuvor, als sie wieder zu Hause war, eine SMS geschrieben mit dem Text: „DANKE für diese herrlichen Stunden mit dir. Ich hatte das Gefühl, dass die Zeit stillstand.“ Dies konnte ich nur bestätigen.

Manchmal sind es winzige Augenblicke, wie das Hineinbeißen in einen knackigen Apfel oder das Naschen eines Stückchens Schokolade, was langsam auf der Zunge zergeht. Oft hebt es bei mir schon die Stimmung, wenn ich ein gutes Lied im Radio höre oder selbst Musik mache, wie im vorherigen Artikel beschrieben. Wenn ich ein Stück spiele, es mir erarbeite oder mit Freunden musiziere, bin ich ganz bei mir selbst. Alles, was drumherum ist, wird ausgeblendet.

Oftmals reicht in schwierigen Situationen schon ein Witz, ein Lachen, eine Berührung oder ein aufmunterndes Wort, damit es mir besser geht.
Natürlich habe ich, wie jeder andere Mensch auch, Ängste und Sorgen, sowohl, was Krieg, Pandemie, steigende Gas- und Strompreise betreffen, als auch private Dinge, die mir Angst einflößen. Häufig stellen viele Menschen sich die Frage, was zu einem bestimmten Zeitpunkt sein wird, warum es in der Vergangenheit anders gelaufen ist als vorgesehen oder wieso die Beziehung zu einem Verwandten/Bekannten nicht so ist, wie man sie gerne hätte. Antworten auf solche Fragen findet man nur sehr bedingt. Von einer Psychologin habe ich dazu eine interessante Aussage gehört: "Das Leben ist wie ein Drehbuch. Wir können es nur zu einem bestimmten, kleinen Teil mitgestalten."

Vieles lässt sich in der Tat nicht beeinflussen, aber in einigen Situationen kann man durchaus mitwirken, sodass etwas Positives dabei herauskommt – und das geschieht in einem Moment oder während eines Erlebnisses mit vielen schönen Augenblicken. Eine Zeitlang habe ich in einem Tagebuch solche Momente festgehalten. Ich habe mich abends gefragt: "Was war heute gut? Wofür bin ich dankbar?" Irgendetwas hat sich stets gefunden/findet sich immer noch.

Besonders gefallen mir die Momente oder Erlebnisse, bei welchen die Zeit stillzustehen scheint, wie zuvor geschildert.

Als mein Mann und ich im Juni einen Ausflug ins Sauerland gemacht hatten, hielten wir auf dem Rückweg an der Alm-Quelle. Als wir ausstiegen, läuteten gerade die Glocken am Ende eines Gottesdienstes. Wir blieben einfach stehen und lauschten. Wir hatten keine Eile weiterzugehen und genossen diese Minuten, ohne an etwas anderes zu denken. Abends, wieder zu Hause, hörte ich mir die Glocken nochmal auf der Aufnahme an, die wir gemacht hatten. Erneut schien die Zeit stillzustehen. Ich beschloss, ein Stück zu komponieren mit dem Titel "When time stands still".

Den Titel habe ich immerhin schon - das Stück wird sich finden!


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