Die gute, alte Handschrift

Detailblick: Unterschrift setzen

Das mit der Handschrift ist so eine Sache. Sie ist schön und gut, und natürlich sind individuelle Handschriften etwas ganz Originelles.

Mit zunehmender Digitalisierung werden die handgeschriebenen Dokumente weniger. "Schade", mag so manche Person denken. Als von Geburt an blinder Mensch muss ich allerdings dazu sagen: "Toll!" und "Praktisch!"

Schon als Kind schrieb ich gerne Briefe: In Brailleschrift, später auf der Schreibmaschine und schließlich auf dem Computer. Dadurch konnten meine sehenden Verwandten/Freunde direkt lesen, was ich geschrieben hatte, ohne dass jemand meine Briefe zuvor von Braille in Schwarzschrift übersetzen musste. Von dieser Seite her wurde die Korrespondenz einfacher. Jedoch war das nicht der Fall, wenn ich Briefe in Handschrift erhielt. Druckschriftliche Post konnte ich später auf einen Scanner legen und sie mir so in Braille oder Sprache zugänglich machen. Mit Handschriften war das nicht möglich. Ich brauchte eine vorlesende Person, und das war mir manchmal nicht wirklich angenehm, besonders, wenn es Briefe waren, die eigentlich nur mich etwas angingen.

Als ich in den neunziger Jahren während meines Studiums die ersten Emails schreiben und empfangen konnte, war das eine enorme Erleichterung. Heute führe ich zahlreiche Email-Korrespondenzen, sei es mit Kunden, Verwandten oder Freunden. Als später zusätzlich SMS und WhatsApp ins Spiel kamen, wurden die Kommunikationsmöglichkeiten noch besser, vielseitiger und schneller. Am schönsten für mich war, dass ich nun alles selbst erledigen konnte/kann.

Beispielsweise schreibe ich meinen Freunden aus dem Urlaub eine WhatsApp oder schicke ihnen eine Sprachnachricht mit Wellenrauschen, Vogelgezwitscher … Ähnliches erhalte ich oft von meinen Freunden, wenn sie unterwegs sind. Natürlich gibt es weiterhin Liebhaber von klassischen Postkarten. Diese sind für mich nicht wirklich der Hit. Ich kann sie nicht selbst lesen und muss jemanden bitten, sie für mich zu schreiben. Als Schülerin diktierte ich meinen Eltern reihenweise Karten, die ich aus dem Urlaub an meine Freunde schreiben wollte, so, wie es jeder andere auch tat. Ähnlich verhielt es sich mit Weihnachts- Oster- oder Geburtstagskarten. Heute kann ich Ecards verschicken, lustige WhatsApp-Nachrichten schreiben oder sprechen und sogar jemandem zum Geburtstag ein gesungenes oder auf dem Saxophon gespieltes Ständchen schicken.

Ich unternahm auch den Versuch, ein bisschen Handschrift zu erlernen, jedoch fiel mir dies sehr schwer. Druckbuchstaben kann ich, wenn sie taktil dargestellt sind, wie auf Tafeln, Grabsteinen etc. lesen und ebenso schreiben. Schreibschrift jedoch bereitet mir Mühe. So übte ich als Schülerin intensiv an meiner Unterschrift. Meinen Vornamen "Anne" lernte ich schnell. Mit meinem Mädchennamen "Köchling" war es schwieriger. Manchmal gelang es mir, den Nachnamen leserlich zu schreiben. Meistens bekam ich als Rückmeldung "Nee, kann man nicht lesen". Wütend knallte ich dann den Stift auf den Tisch.

Meine Tante, die Grundschullehrerin war, verfiel auf eine gute Idee. Sie erklärte meinen Eltern: "Warum so kompliziert? Anne muss eine für sie originelle Unterschrift leisten. Da geht es nicht um Schönheit oder Lesbarkeit, sondern einfach um ihre individuelle Unterschrift. Wir vereinfachen das Ganze." Gesagt, getan. Sie zeigte mir eine wesentlich unkompliziertere Methode zu unterschreiben.

Als ich heiratete, änderte sich mein Nachname von "Köchling" in "Kochanek". Auch hier hatten meine Tante und ich eine einfache Form des Unterschreibens geübt. Auf dem Standesamt musste ich zuerst mit meinem Mädchennamen, also "Köchling", anschließend mit meinem neuen Nachnamen "Kochanek" unterschreiben. Als alles schon erledigt war, fiel mir ein, dass ich die "ö"-Pünktchen auf dem "Ö" von "Köchling" vergessen hatte, was ich sofort artikulierte. "Die muss ich aber noch einmal setzen, bevor ich sie endgültig abgebe!" rief ich und alle lachten.

Nach wie vor brauche ich Hilfe, wenn es darum geht, Formulare auszufüllen, so ich es nicht selbst am Computer erledigen kann. Ebenfalls brauche ich jemanden, der mir zeigt, wo ich ein Dokument unterschreiben muss und dazu meinen Finger an die richtige Stelle legt.

Insgesamt ist die heutige Technik jedoch für mich ein Segen, da sie mir einen weitestgehend selbstständigen Schriftverkehr/Kommunikationsaustausch ermöglicht.


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