Wie frei ist barrierefrei?

Bücher neben Laptop

In einem früheren Artikel meines Blogs habe ich über die Braille- Blindenschrift berichtet, welche für mich als nicht-sehende Person, eine extrem wichtige Rolle spielt.

Nachdem der blinde Franzose Louis Braille im 19. Jahrhundert die nach ihm benannte Blindenschrift erfunden hatte, wurde die Zugänglichkeit von Dokumenten für blinde Menschen wesentlich erhöht. Immer noch aber gab es zahlreiche Barrieren. So mussten Dokumente quasi von Hand in Brailleschrift übertragen werden, mittels einer Schreibtafel zu Anfang, später mit Hilfe von Punktschriftmaschinen.

Während meiner Schulzeit ab der 5. Klasse auf einem Regelgymnasium war vieles in Bezug auf Unterrichtsmaterialien nicht einfach. Es gab Lehrbücher in Braille, jedoch längst nicht alle. Das Mathematikbuch beispielsweise gab es nur bis zur 9. Klasse in Punktschrift. In der zehnten Klasse hatte ich buchstäblich keins. Jemand musste mir die Aufgaben diktieren oder sie mir in Brailleschrift aufschreiben. Das war zuweilen sehr mühsam, gerade, wenn die Aufgaben lang und komplex waren.

Ab der 11. Klasse wurde es dank eines Scanners etwas einfacher. Mit Hilfe meines damaligen Freundes (jetzigen Ehemannes ;-)) konnte das Mathebuch eingescannt und für mich in Brailleschrift ausgedruckt werden, denn ein Punktschriftdrucker kam hinzu. Dadurch wurde es ebenfalls in anderen Fächern sowie im Privatbereich leichter. Bekam ich einen Brief in Druckschrift, konnte ich ihn einscannen und mit moderner Hilfsmitteltechnik (Laptop mit Sprachausgabe, Braillezeile / Brailledrucker) selbst lesen. Auch Bücher, die es nicht in Braille gab, wurden mit dem Scanner umgesetzt und dadurch für mich zugänglich.

Später sorgten Emails, SMS und WhatsApps für weitere Erleichterung. Für viele Dokumente brauche ich heute noch nicht mal einen Scanner. Eine iPhone-App ermöglicht es mir, den Text zu fotografieren und ihn mir mit VoiceOver, der Sprachausgabe im iPhone, vorlesen zu lassen.

Leider sind bei weitem nicht alle Dokumente barrierefrei, obwohl dafür plädiert und geworben wird.

Neulich erhielt ich eine Geburtstagseinladung als Anhang einer Mail. Die Einladung war eine eingescannte Postkarte, auf der Ort und Zeit der Feier standen, sowie einige Worte zum runden Geburtstag des Einladenden. Diese Informationen erhielt ich, nachdem man sie mir vorgelesen hatte.

Eingescannte Bilder mit Text stellen ein Problem dar. Zwar gibt es eine sogenannte OCR-Software, mit der sich solche Texte besser in Sprache/Braille umwandeln lassen, jedoch tauchen hier häufig Fehler bei der Texterkennung auf.

Gut aufbereitete PDF-Dateien, vor allem jedoch Word- oder Txt-Dokumente, kann ich mir problemlos zugänglich machen. Ein Appell an alle, die Dokumente erstellen, wäre, bitte darauf zu achten, dass sie barrierefrei erstellt werden. Bei Fragen/Unsicherheiten, nach dem Motto: "Wie mache ich ein Dokument barrierefrei? Was ist zu berücksichtigen?" oder: "Wie ist eine Internetseite am besten auch für Menschen mit Handicap lesbar?" kann man sich gerne bei der Firma Papenmeier melden, da hier Barrierefreiheitsberatung durchgeführt wird.

Im Lesen von diversen Dokumenten bin ich "schmerzfrei", will sagen: Ich musste, vor allem während meiner Zeit als Germanistik- / Anglistik-Studentin zahlreiche Taschenbücher lesen, deren eingescanntes Resultat oft nicht wirklich erbaulich war. Dennoch habe ich das Studium geschafft! In der heutigen Zeit mit moderner Technik finde ich, wäre es mit ein bisschen Mitdenken durchaus möglich, vieles zugänglich zu machen, wenn man ein wenig drauf achtet. Befinden sich z.B. auf einer Internetseite Grafiken/Bilder, können diese mit wenigen Sätzen/einer Bildüberschrift versehen werden. Gleiches gilt für Handouts und Prospekte.

Vergleiche ich die Situation barrierefreier Dokumente wie sie, dem technischen Fortschritt sei Dank, heute ist, mit der Situation meiner Schulzeit, sind Welten dazwischen.
Ein Buch war früher als Braille bzw. Hörbuch verfügbar oder oft eben nicht. Es musste mir vorgelesen und auf Kassette gesprochen werden. Später in der Oberstufe und im Studium waren Scanner und Brailledrucker ein enormer Fortschritt. Möchte ich heute ein Buch lesen, gerne mal in einer anderen Sprache wie Englisch, Französisch oder Spanisch, lade ich mir das entsprechende Ebook herunter und lese es mit Hilfe meines iPhones/iPads oder Laptops in Verbindung mit meiner mobilen Braillezeile. Wahlweise kann ich das meist verfügbare Hörbuch genießen. Manchmal denke ich: "Hätte ich doch seinerzeit schon diese Technik gehabt." Andererseits ist es spannend, die Entwicklung mitzuverfolgen, welche sich in all den Jahren vollzogen hat, und die sich hoffentlich immer barrierefreier weiterentwickelt.


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